Zu bessrem fryd unnd gemach-
Die Policeyordnung des adligen Damenstifts St. Stephan für das Amt Batzenhofen
Mancherlay unordnung unnd unleuttrung sei der Grund, weshalb sie am Katharinentag (25. November) des Jahres 1531 eine Policeyordnung für das Dorf und Amt Batzenhofen nordwestlich von Augsburg erlassen habe, ließ Anna von Freyberg, Äbtissin des adligen Damenstifts St. Stephan, vermerken. Der Tag war durchaus programmatisch gewählt, galt und gilt doch die Heilige Katharina von Alexandrien als besondere Schutzpatronin der Rechtsgelehrsamkeit. In Rechtssprechung und Rechtsvollzug hätten sich einige Mißstände eingeschlichen, die es durch das (heute im Staatsarchiv Augsburg aufbewahrte) Dokument abzustellen gelte. Nach alter biblischer und vor allem durch Augustinus vermittelter Tradition war die göttliche Gerechtigkeit die Richtschnur, und Gott war auch der Richter, vor dem sich die irdischen Richter in Dienst und Würden des Augsburger Damenstifts dereinst zu
verantworten hätten. Weder zu lieb noch zu layd solle Recht gesprochen werden, weder Freundschaft noch Animositäten, weder Tagesstimmung noch die ein oder andere "Handsalbe" finanzieller Art, wie man damals zu sagen pflegte, dürfe den Urteilsspruch beeinflussen.
Batzenhofen zählte zum Gründungsgut des adligen Damenstifts. Im ältesten Salbuch aus dem Jahr 1401 wird St. Stephan im Besitz von sieben Anwesen, darunter Meierhof, Mühle und Schmiedhofstatt geführt. 1530 konnte die Äbtissin Anna um 1200 Gulden die Vogteigerechtsame von Ulrich von Knöringen erwerben. Demnach sollten zwei Vogtdinge im Meierhof, traditionell im Frühjahr und Herbst, abgehalten werden. Hierbei hatte der Meier dem Gerichtsherrn das Mahl auszurichten, die Bauern hatten den Wein beizusteuern. Ein Zusammenhang zwischen erwähntem Vogteierwerb und dem Erlaß der Policeyordnung liegt nahe. Zusammen sind beide unter einen, auch anderweitig festzustellenden, kontinuierlichen Prozeß herrschaftlicher Verdichtung einzuordnen. Somit fügt sich die Policeyordnung des Augsburger Damenstifts durchaus in das allgemein zu dieser Zeit zu beobachtende Phänomen ein, dem öffentlichen Raum eine Ordnung zu geben und rechtsfreie Räume zu beseitigen. Das Korsett obrigkeitlicher Vorgaben zog sich enger, das Gefängnis war geboren, um Michel Foucault zu zitieren. Daß es auf der Alm keine Sünd' gebe, wurde bald nur noch im meist mißverstandenen Lied gemeint. Genau listet die Policeyordnung Vergehen und Strafen auf. Wieviel hatte eine Frau zu zahlen, so zu iren tagen kommen ist, und eine andere Frau ain huren schylt. Zwei Schillinge ist die Antwort, genauso viel wie für andere verbale Schmähungen oder das Bedrohen mit Waffen. Bei physischer Gewalt wurde wiederum unterschieden, ob es sich um truckhen straichen, d. h. Schläge ohne Blutvergießen, handelte, oder ob der Verletzte danach etwa bainbrichig war. Pfand- und Maßbetrug wurden geregelt. Ferner verwahrte man sich gegen Rechtslücken. Genau ist das Gerichtsverfahren geschildert. Eingeräumt wird die Möglichkeit zur Appellation. Hierfür bekamen die Parteien einen appostel d. h. ein richterliches Begleitschreiben zur Überweisung an eine höhere Instanz, in die Hand. Genaue Verfahrensfristen sollten allzu lange Prozesse, ohnedies ein Problem der Zeit, verhindern. Batzenhofen war für das adlige Damenstift als Verwaltungsmittelpunkt, von dem aus Grundherrschaft und Niedergericht über weitere Besitzungen in Bergheim, Edenbergen, Gablingen, Hausen, Maingründel, Oggenhof, Peterhof oder Rettenbergen ausgeübt wurden, von großer Bedeutung. Besonders interessant sind diejenigen Passagen des juristischen Dokuments, die das Dorfleben zu regeln versuchten, spiegeln diese doch am eindrucksvollsten das Verhältnis zwischen Stift und Untertanen wider. Jeder Hintersasse hatte einen Eid auf Botmäßigkeit und Gehorsam abzulegen, symbolisch durch Naturalausgaben ausgedrückt. Unter einander wurden gegenseitige Hilfe und allgemeiner Friede angemahnt. Bewirtung war nur innerhalb der örtlichen Tafern erlaubt, nicht im Privathaus. Kartenspiele waren lediglich bis zu einem geringen Geldbetrag zugelassen, eine in dieser Zeit durchaus angebrachte Schutzmaßnahme für die Untertanen. Der Tafernwirt dürfe nach acht Uhr nur noch an redliche Gäste und Wandersleut ausschenken, denn dies sei altes Traditionsrecht. Dem Wirt wurde demnach einiges an Menschenkenntnis abverlangt. Auch dem Zutrinken, einer in Policeyordnungen oft genannten, die Mannesehre betreffenden Unsitte, war ein Artikel gewidmet. Kein Batzenhofener, weder Bauer noch Kleinhäusler, dürfe sich im Krieg verdingen. Das sogenannte Reislaufen, der Dienst in den Landsknechtheeren der Zeit, bot vor allem für ärmere Schichten die Hoffnung auf raschen Gelderwerb. Bei der Bevölkerung hatten die Landsknechte, die nichts liegen ließen außer Mühlsteine, wie ein damaliges Sprichwort meinte, einen denkbar schlechten Ruf. Besonders die dienstlose Zeit, von der die Landsknechte sagten, der Krieg habe ein Loch, war gefürchtet. Auch in den Gassen Batzenhofens wurde für Ruhe gesorgt. So dürfe keiner on redlich ursach unnd erbar geschäfft nach dem geleutt des Aue Maria auff der gassen hin unnd wyder spacieren. Ausnahmen waren nur bei außerordentlicher Dringlichkeit eines Geschäftes erlaubt. Am interessantesten sind jene Passagen der Policeyordnung, die auf die Reformation reagieren. Die religiöse Bedrohung, die vor allem von der Reichsstadt Augsburg ausging, wurde hinter den Mauern des Damenstifts zweifellos gesehen. Die schweren leuff wurden beklagt, der widerwille, die triebsall dieser Zeit seien nicht zu übersehen. Die Reformation hielten die Stiftsdamen für eine Strafe Gottes. Sie erließen die Policeyordnung, um gerade diese Strafe abzuwenden. Hier tritt wieder der bereits bemerkte Zusammenhang von irdischer und göttlicher Gerechtigkeit zutage. Grundsätzlich war jedem verboten, ganz gleich ob Mann oder Frau, jung oder alt, mit den lutherischen oder anderen als den althergebrachten Lehren über den grundt Göttlicher geschrifft ungemäss zu disputierenn. Nur an Sonn- und Hochfesten sei das Evangelium anzuhören und die Heilige Messe in der Pfarrkirche zu besuchen. Dem Wort des Pfarrers sei zu folgen, sonst drohe Strafe. Wie diese aussehe, wird nicht weiter ausgeführt. Wer die Messe nicht bis zum Segen mitfeiern könne, solle weder auff dem kirchoff, auff plätzen noch in heusern unnütz Geschwätz von sich geben. Inwieweit die Policeyordnung auch tatsächlich erfolgreich war, ist bei einem immer noch großen administrativen Defizit zu hinterfragen. In nicht durchgesetzten Gesetzen wurde sogar ein Wesensmerkmal frühmoderner Staatlichkeit gesehen. Die einzigen, die sich an die Kleiderordnung hielten, seien die Nägel, mit denen diese angeschlagen würden, heißt es in einem Bonmot der Aufklärungszeit. Doch ist unverkennbar, daß die Maßnahmen von einem Wechselverhältnis zwischen obrigkeitlicher Anordnung und Erwartungshaltung der Untertanen geprägt waren, was zweifellos die Durchsetzung erleichterte. So erwähnt die Policeyordnung für Batzenhofen gerade den Gemeinen Nutzen als Ziel. Andererseits deuten die zahlreichen, diese Maßnahmen zu legitimieren versuchenden Passagen des hochinteressanten Dokuments darauf hin, daß man sich des Erfolgs nicht ganz sicher wähnte. Auch mit der Frühen Neuzeit war zuweilen nur wenig Staat zu machen. Christof Paulus entnommen aus STEPHANIA, Nr. 77, 15. Dezember 2005, Eigenverlag St. Stephan, Augsburg 2005 |