700 Jahre Mühle Batzenhofen - Teil 2


Die Arbeit war nicht nur schwer, sondern immer auch mit allerlei Gefahren verbunden. Am 5. Sept. 1863 tat es einen furchtbaren Schlag und der Mahlknecht Simon stürzte von einem Teil des Läufersteins getroffen zu Boden. Die untersuchenden Behörden kamen zu dem Urteil, daß Welzhofer keine Nachlässigkeit vorzuwerfen war. Die Kartoffel, eines der schönsten Geschenke Südamerikas, wurde erstmals 1840 auf den Feldern der Mühle angebaut. Bald erkannte man, daß diese "Erdäpfel" nicht nur den Schweinen, sondern auch den Hofbewohnern mundete. Bald wurde sie zur Hauptnahrung der ärmeren Leute. Im Januar 1843 fuhr Martin Welzhofer erstmals mit der seit 1840 bestehenden Eisenbahnlinie in die Landeshauptstadt. Zu seinem Bruch und der Mehlstauballergie war ein schweres Leberleiden hinzugekommen, weshalb er einen berühmten Münchener Arzt konsultieren wollte. Dieser verhängte Alkoholverbot, verschrieb einige Tränklein und kassierte 15 Gulden für die paar Minuten. Ob die Praxisgebühr hierin schon enthalten ist, wurde nicht überliefert. Geholfen hat es jedenfalls nicht lange, noch im selben Jahr verstarb der Müller mit nur 37 Jahren. Vorübergehend führte die Müllerin den Hof allein, bis nach Ablauf des Trauerjahres Mathias Pfänder in die Mühle einheiratete.
Im Kriegsjahr 1870 wurde der Mühlenbetrieb dann wieder von einem Welzhofer übernommen. Georg Welzhofer heiratete im selben Jahr die aus Gersthofen stammende Kreszenz Probst, die bereits zwei Jahre später an Lungenschwindsucht verstarb. Zumindest über Auftragsmangel brachte sich der junge Müller nicht zu sorgen, als nach dem gewonnenen "Siebziger-Krieg" in Augsburg und Umgebung eine enorme Bautätigkeit einsetzte. Bei der vielen Arbeit wurde schnell klar, wie sehr dem Müllerhof die straffe Hand einer jungen, resoluten Frau fehlte. In der Flößerschänke in Lechhausen lernte der Müller den Bauern Mayr und später auf dessen Hof auch Tochter Kreszenz kennen. So kam es, daß im März 1873 wieder eine Kreszenz als Müllerin auf dem Hof Einzug hielt. Daß wir wissen, wie es damals auf der Batzenhofener Mühle aussah, verdanken wir einer Zeichnung der Mühle durch den Günzburger Zeichenlehrer J. A. Brenner. Ein überaus freudiges Ereignis trat am 1. Dez. 1875 ein, als die kleine Josepha das Licht der Welt erblickte. Sie war dazu ausersehen, die Stamm-Mutter der heute noch auf der Mühle lebenden Batzenhofener Schaflitzel zu werden. 1876 wurden die bisherigen Gulden durch die "Gold-Mark" abgelöst. Was eine solche Währungsumstellung an Vor- und Nachteilen bringt, ist uns von der Einführung des Euro vertraut. Die zunehmende Industrialisierung machte auch vor dem Mühlenhof nicht halt. Eine Mähmaschine der Augsburger Fa. Buxbaum erleichterte die Mäharbeit. 1887 verstarb der Müller, der zuletzt sehr an Auszehrung und Gicht gelitten hatte. Die Witwe Kreszenz Welzhofer führte die Mühle weiter, bis Tochter Josepha ins heiratsfähige Alter kam. Nach Ableistung seiner Militärzeit im Augsburger 4. Chevauleger-Regiment kam Anton Schaflitzel 1890 bei seiner Stellensuche zur Batzenhofener Mühle, wo er als Baumeister durch seinen Fleiß und seine Gewissenhaftigkeit bald sehr beliebt wurde. Da seine sympathische, zupackende Art nicht nur der Tochter, sondern auch der Müllerswitwe, seiner künftigen Schwiegermutter, gefiel, konnte am 3. Okt. 1893 Hochzeit gefeiert werden. 1894 übernahm er dann die Leitung des Betriebs und seither ist der Name Schaflitzel mit der Batzenhofener Mühle untrennbar verbunden.
Mit Anton Schaflitzel kehrte die Moderne in den Mühlenbetrieb ein. Das moosbehangene Eichenholzmühlrad wurde 1903 stillgelegt und durch eine Turbine, die nun die Mahlmühle antrieb, ersetzt. Das Jahr 1908 brachte dann das "Aus" für das alte Wasserrad, welches die Sägemühle antrieb. Eine weitere Turbine wurde angeschafft, die in der Lage war mehr als das alte Einblattsägewerk anzutreiben. So wurde auch diese Anlage durch eine modernere ersetzt. Mitten in diesen Arbeiten verstarb die junge Müllerin im Alter von nur 33 Jahren. 1911 ging der Witwer mit Anna Angerer eine zweite Ehe ein. Drei Jahre durften die beiden in Frieden leben, bis die unheilbringenden Schüsse von Sarajevo 1914 erneut das Leid des Krieges über die Menschheit brachten. Wie so viele erhielt auch der 20jährige Hoferbe Sebastian Schaflitzel in der letzten Juliwoche 1914 den Einberufungsbefehl.
1916 begann die Zermürbungsschlacht von Verdun, die über 700.00 Deutschen und Franzosen das Leben kosten sollte. Der tapfere Müllerssohn war als Unteroffizier dabei, als seine Artilleriebatterie am 21. Febr. 1916 zusammen mit den anderen deutschen Einheiten zehn Stunden lang das Feuer auf die Strecke von 40 km um Verdun eröffnete. 4 Tage später nahmen dann die deutschen Angriffstruppen das stark befestigte Fort Douaumont in einem Überraschungsangriff ein. Monate später hatte er als Geschützführer, wie die Angreifer die deutsche Infanterie überrannten, tapfer standgehalten, einen feindlichen Tank abgeschossen, die Gegner mit Schrapnellfeuer bekämpft und die gefährdete Frontstellung gehalten. So kam das Eiserne Kreuz 1. Klasse zum EK 2. Klasse und dem bayerischen Verdienstorden hinzu, mit denen der Unteroffizier Schaflitzel bereits dekoriert war. 1918 in Serbien und Mazedonien im Einsatz, kam er, zwar gezeichnet von den Strapazen und schrecklichen Erlebnissen, doch einigermaßen gesund nach Batzenhofen zurück. Von 1919 bis 1956 als zweiter und dann ab 1968 als erster Vorstand des Batzenhofener Soldaten- und Veteranenvereins machte er es sich zur Pflicht, seine Erfahrungen mit den Schrecken des Krieges zur Mahnung an kommende Generationen weiterzugeben. Hoch rechneten ihm die Veteranen den Umstand an, daß er nach dem 2. Weltkrieg, als die Soldatenvereine als kriegsverherrlichende Organisationen verkannt und daher verboten wurden, den Verein unter großen Schwierigkeiten still weiterführte und damit die Auflösung standhaft verhinderte.
Im Okt. 1920 heiratete Sebastian Maria Brem aus dem benachbarten Hirblingen, die Tochter des "Schmiedbauern". 1921 wurde der väterliche Mühlenbetrieb übernommen. Ein Jahr später erblickte der kleine Sebastian das Licht der Welt, für den Erhalt der Müllerdynastie Schaflitzel war somit gesorgt. Als dann 1923 neue Walzenstühle und Plansichter in der Mahlmühle installiert wurden, schienen die Weichen für eine glückliche Zukunft gestellt. Doch im selben Jahr wurde das Mühlenanwesen von einem Unglück heimgesucht: Als der Müller in Augsburg weilte, brach in Kuhstall und Stadel ein Brand aus, zu dem die Batzenhofener Feuerwehr Unterstützung von der Berufsfeuerwehr aus Augsburg in Anspruch nehmen mußte. Kaum war dieser Schaden einigermaßen verkraftet, brachte das Jahr 1926 ein verheerendes Hochwasser mit sich. Nicht nur in Wohnhaus und Mühlengebäude stand das schlammige Wasser über einen halben Meter hoch, auch in den Stallungen kamen zwei Schweine und einige Hühner ums Leben. Im selben Jahr wurde im Sägewerk eine Gattersäge mit Säumkreissäge eingebaut, was den Arbeitsablauf rationalisierte und die Schnittleistung wesentlich erhöhte. 1927 erfolgte der Einbau einer Lanz-Dampfmaschine mit 30 PS. Ein weiteres Hochwasser zerstörte 1928 die Schmutterbrücke von Batzenhofen und bereitete so verkehrstechnisch große Schwierigkeiten. Vom Holzlagerplatz der Mühle wurden Bretterstapel bis nach Gablingen abgetrieben. 1929, als Töchterchen Maria im Januar des Licht der Welt erblickte, herrschte eisiger Frost. Die Schmutter blieb bis Ende April so dick zugefroren, daß sie mit Fuhrwerken befahren werden konnte. Starker Eisgang beschädigte die Wehranlagen der Mühle, meterhohe Schneewehen brachten den Holztransport zum Erliegen, fast die Hälfte aller Obstbäume erfror. Im Sommer 1930 wurde die alte, handbetriebene Turmuhr der Batzenhofener Pfarrkirche durch eine neue ersetzt. Auf dem Kontroll-Zifferblatt des alten Werkes fand sich folgende Inschrift: Im Jahre nach Christi Geburt den 19. Jenner 1781 hatt die Ersame Gemeind mit Einstimmung der Kirchen-Verwalter als des Hochwirdigen Pfarr Josebh Trautwein und des wohlgeborenen Herrn Josebh Anthoni von Ex-Rath und Oberamtmann des freien Reichsstift St. Stephan in Augspurg gegenwertige Uhr durch mich Johann Peter Hochenreiner Groß-Uhrmacher in Mickhausen anfertigen lassen. Als Josebh Welzhofer Miller, Anthoni Widenmann Bauer, Bartholome Schnizler Zimmermeister und Firmuß Mair, samtliche Gerichtsleite waren dann Josebh Zellner Scheffler, die Söldner Ehafft von batzenhofen zue dem Treffen gehabt... So kann dieses alte Stück Blech uns Heutigen von dem Müller von 1781 erzählen, weil es der 8jährige Müllersohn der Schaflitzels 1930 vor dem Alteisenhändler rettete.
1930 wurde den Schaflitzels Sohn Erwin geboren. 1932 brachte Dauerregen von Mai bis Juli. Erneute Überschwemmungen mit Schäden an der Mahl- und Sägemühle waren die Folge. Ein "Großauftrag" ging an die Mühle, als Sebastian Schaflitzel mit der Bauholzlieferung für die "Ziegelei Hochfeld" beauftragt wurde. Leider ging das Werk infolge der wirtschaftlichen Misere, die Anfang der 30er Jahre allgemein herrschte, kurz vor der Inbetriebnahme fast in Konkurs. Der Müller beteiligte sich zu 5/6 an dem Unternehmen, um dieses finanziell zu retten; kein geringes unternehmerisches Wagnis in dieser schicksalhaften Zeit. Der Geschäftsstart verlief dann auch sehr zögerlich, erst die beginnenden Baumaßnahmen in der "Firnhaberau" halfen, den Betrieb zu retten. Nach dem zweiten Weltkrieg stieg der Bedarf an Ziegeln infolge der Wiederaufbaumaßnahmen sprunghaft an. Geschäftsführer Max Weiß nutzte den hohen Bedarf und lieferte Ziegel bis nach Garmisch, wo man 1 Mark pro Stück bezahlte, während der Preis in Augsburg 11 Pfennige betrug. 1970 war die Produktionsleistung des Unternehmens auf 4 Millionen Ziegel angewachsen. Schaflitzel beteiligte sich mittlerweile auch an der Ziegelei Inningen mit 50%. Dort produziert man jährlich weitere 1,5 Millionen Ziegel. 1933 verstarb der Mitbegründer der Müllerdynastie, Anton Schaflitzel, an einem Leberleiden. 1 939 erfolgte der Einbau der "Soder-Mühle" und Änderung des Diagramms durch den bewährten Obermüller Probst. Bald darauf brach der 2. Weltkrieg aus, der von 1939 bis 1945 viel Leid über Deutschland und die ganze Welt brachte. Auch die Schmutter, sonst Lebensader des Mühlenanwesens, brachte mit einem Hochwasser erneut Leid und Fluch. Der bitterkalte Winter 1940 brachte bei der Schneeschmelze ebenfalls wieder Überschwemmungen. 1941 wurde der Hoferbe Sebastian nach Landsberg zur Motorisierten Artillerie eingezogen, den Krieg verlebte er größtenteils im lebensfeindlichen Klima Finnlands. Gegen Ende des Kriegs 1945 folgten Einsätze bei Berlin und schließlich die russische Kriegsgefangenschaft. Völlig unterernährt arbeitete er im Torfabbau, im Wald und unter unmenschlichen Bedingungen im Bergwerk südlich von Moskau. Zuhause richteten feindliche Bomber derweil große Schäden an, als sie ihre todbringende Last am 27. Februar 1945 auch über das Dorf Batzenhofen abwarfen: Oberlehrer Alois Pesta, seine Frau Sophie und Hauptlehrerin Luise Hummel starben bei einem Bombenvolltreffer in den Schulbunker. In den letzten Kriegstaten wurde die Schmutterbrücke gesprengt, wobei Betonbrocken bis in den Mühlenhof geschleudert wurden. Der Vormarsch der Amerikaner konnte auch durch diese selbstzerstörerische Maßnahme nicht mehr aufgehalten werden und bald überquerte wieder eine Notbrücke den Flußübergang.
In der kargen Zeit nach dem Krieg erinnerten sich die Schaflitzels, daß bis zum 30jährigen Krieg am sonnigen Südhang des Katharinabergs Wein angebaut worden war. Er soll zwar ein arger "Sauerampfer" gewesen sein, aber wo einst sogar Reben gediehen, mußte qualitativ guter Obstbau möglich sein. So wurde das Grundstück eingezäunt und eine Obstplantage angelegt, in der Johannisbeer-, Stachelbeer- und Himbeersträucher, aber auch Apfel-, Birn- und sogar Pfirsichbäumchen gesetzt. Überall fanden diese heimatlichen Erzeugnisse großen Anklang, erst als in den 50er Jahren wieder Südfrüchte verfügbar wurden, mußte die Plantage mangels Nachfrage ihre Produktion einstellen und geriet in Vergessenheit. Der am Katharinaberg wohnende Schreiber dieser Zeilen besitzt seit Jahren einen Nektarinenbaum und kann die Qualität dieser Lage aus eigener Erfahrung bestätigen. Nach der Währungsreform ging es mit dem Betrieb weiter aufwärts und 1948 wurde der Bau eines Getreidesilos für 250 Tonnen fertiggestellt. Der unermüdliche Vater, Sohn Erwin und insbesondere der 1949 wieder heimgekehrte Sohn Sebastian brachten den Betrieb zu neuer Regsamkeit. Bald ergänzte ein umgebauter Fendt-Holzgasschlepper den Fahrzeugpark, dann folgte der Einbau einer neuen Voith Mühlturbine mit 50 PS. 1955 erfolgte der Neubau des Hühnerstalls, 1956 wurde ein neuer Schweinestall geschaffen. Tochter Maja Schaflitzel heiratete 1957 den Mühlen- und Bäckereibesitzer Konrad Vielhaber in Westfalen. 1958 ließ ein Wärmeeinbruch die 30 cm hohe Schneeschicht im Eiltempo schmelzen, was wieder eines der zahlreichen Hochwasser in der Mühlengeschichte verursachte. 1961 schuf man einen neuen Kuhstall. 1964 heiratete Sebastian Schaflitzel jun. seine Emma und übernahm anschließend den väterlichen Betrieb. Freud und Leid liegen eng zusammen, im August desselben Jahres verschied die alte Müllerin an den Folgen eines Herzinfarkts. 1965 wurden die jungen Müllersleute mit Tochter Sabine gesegnet, ein Jahr später erblickte der neue Hoferbe das Licht der Welt und wurde in guter Tradition auf den Namen Sebastian getauft. 1965 erfolgte auch der Einbau einer zweiten Dampfmaschine mit 100 PS für das Sägewerk und wieder eines der Schmutterhochwasser, bei denen die Straße bis zur Gaststätte Schmid unter Wasser stand. Kein Wunder also, wenn Sebastian Schaflitzel sen. zum Initiator der Schmutterregulierung von Donauwörth bis Gailenbach und Vorstand des Verbandes wurde.
1970 kam man überein, die "Ziegelei Hochfeld" zu schließen, die in Inningen war bereits 1955 stillgelegt worden. 1970 war es auch, in dem man sich schweren Herzens entschließen mußte, den Mahlbetrieb einzustellen. Dafür wurde 1977 erneut in die Sägemühle investiert, die noch heute Lohnschnittarbeiten durchführt, aber auch Holzhandel mit Brettern, Balken und Latten betreibt. 1978 wurde die Tierhaltung aufgegeben und der Betrieb auf reinen Ackerbau und Waldwirtschaft umgestellt. In diesem Jahr wurde Batzenhofen nach Gersthofen eingemeindet und der Müller verlor dadurch sein Ehrenamt als 2. Bürgermeister und Gemeinderat. 1983 verstarb Sebastian Schaflitzel sen. mit 89 Jahren. Sein Leben lang hatte er sich in zahlreichen Ehrenämtern und Vereinen um die Gemeinde verdient gemacht. Nun ging der Namenszusatz sen. auf den ehemaligen Junior über und dessen Sohn wurde zum jun. In jüngster Zeit erlitt der Vater einen Schlaganfall, wodurch die Betriebsführung auf Sebastian jun. überging. Die moderne Sägehalle beherbergt zwei Hochleistungssägegatter und eine Saumkreissäge. Im April 2004 verstarb der Senior im Alter von 82 Jahren, hochgeachtet und von der ganzen Gemeinde betrauert. Unsere Erzählung endet hier, aber das Rad der Zeit dreht sich so unaufhörlich weiter wie die Mühlenturbine und es ist davon auszugehen, daß der Mühlenkompex und seine Besitzer auch weiterhin wesentlich Ortsbild und Geschichte Batzenhofens prägen und mitbestimmen werden.
 
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